Geschwistereifersucht ist das häufigste Drama in der Menschheit. Die Geschichte von Kain und Abel zeigt, wie dramatisch und tödlich sie früher verlaufen konnte. Kain war der Erstgeborene, der es nicht ertrug, dass Gott seine Gunst dem Jüngeren zuwandte. Mit Recht spricht Alfred Adler von einem Enttrohnung-Drama. Denn von einem Tag verliert man jene Zuwendung und Aufmerksamkeit, die früher selbstverständlich war. Deshalb freuen sich mitunter Kinder kaum über den Nachwuchs. Wilhelm Busch hat diese Reaktion in den Worten eingefangen:
Ei ja, das wird dich freun!
Der Fritz, der sagte kurz und grob:
Ich hol’n dicken Stein
Und schmeiß Dir an den Kopp!
Nun bemühen sich Mütter heutzutage fast immer, die älteren Kinder auf die Geburt der Geschwister vorzubereiten. Sie werden direkt in die Pflege eingebunden und spielen eine entscheidende Rolle. Und die Großeltern sind meist sehr bedeutend: Hier erlebt das enttrohnte Kind, dass es weiterhin wichtig ist und die Zuwendung nicht teilen muss. Dennoch ist die Geschwistereifersucht noch heute sehr verbreitet. Es fällt bei seelischen Erkrankungen auf, dass die Ältesten, die enttrohnt worden sind, besonders häufig unter Ängsten und Depressionen leiden.
Das gilt vor allem dann, wenn es nur zwei Kinder in der Familie gibt. Gibt es drei Kinder, erlebt das Älteste, dass das zweite Kind vom dritten enttrohnt wird. Das mildert etwas jene Kränkung, die sonst lebenslang nagt. Vor allem enttrohnte älteste Kinder leiden meist unter einer großen Empfindlichkeit, wenn sie nicht genügend Aufmerksamkeit bekommen. Sie haben die Fähigkeit verlernt, aktiv um sich zu werben, da sie dies in der Kindheit nicht für aussichtsreich hielten. Deshalb ziehen sie sich zurück, sind gekränkt und vorwurfsvoll. Und diese Problematik tragen sie später in jede Beziehung hinein.
Häufig gehen die Eltern davon aus, dass sie die Kinder doch gleich behandeln würden. Deshalb sei die Eifersucht nicht gerechtfertigt. Doch eine wirkliche Gleichheit gibt es im Umgang mit Kindern nicht. Geschwister spüren, dass wir sie immer auf unterschiedliche Weise mögen. Deshalb ist es so wichtig, dass die Eltern auch mit dem älteren Kind etwas allein unternehmen, so dass es die ungeteilte Zuwendung bekommt.
Doch eifersüchtig sind Kinder häufig nicht nur auf die Geschwister, sondern oft auch auf neue Partner. Wenn sich die Eltern trennen, müssen die Kinder oft damit umgehen, dass nun ein neuer Partner in die Familie ‚einheiratet’. Kinder sind dann oft sehr eifersüchtig, weil sie Angst haben, dass die Mutter weniger Zeit für sie hat. Manchmal wird sogar der Neue regelrecht vertrieben. Wie stark solche Eifersucht sein kann, zeigt Canetti in seiner Autobiographie. Er hatte in seiner Kindheit oft den Wunsch, der Balkon möge abstürzen, auf dem sich seine Mutter mit dem fremden Mann aufhielt.
Geschwistereifersucht ist eines jener Gefühle, die oft nicht erkannt, immer aber sehr prägend sind. Kinder haben noch nicht die Möglichkeit, sich ausreichend andere Bezugspersonen zu suchen. Deshalb nagt die Eifersucht so in ihnen und entfaltet eine verhängnisvolle Wirkung. Im Erwachsenenalter tritt die Eifersucht vor allem in der Partnerschaft auf. 22% haben schon einmal im Handy des Partners spioniert, 11% der Deutschen sagen über sich, dass sie massiv eifersüchtig sind. Bei einer geringen Eifersucht ist es wichtig, vor allem selbstbewusster und selbständiger zu werden. Bei einer massiven Eifersucht hilft vor allem eine Psychotherapie. Und immer ist es wichtig einen Partner zu finden, der durch seine Beziehungsfähigkeit die Eifersucht eher dämpft und nicht anstachelt.
Kostenloser Abdruck – auch auszugsweise – bei Hinweis auf das Buch des Autors:
Wolfgang Krüger: Aus Eifersucht kann Liebe werden – die Heilung eines ungeliebten Gefühls
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